Spracherwerb beginnt bereits im Mutterleib

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Jedesmal, wenn ich ein Neugeborenes sehe, überkommt mich ein unfassbares Staunen. So ein Wunder! So ein kleiner Mensch, so perfekt, mit all den kleinen Fingern und Zehen und den winzig kleinen Ohren. Ohren, die schon etwa seit dem 5. Schwangerschaftsmonat hören können! Im Bauch!

Und Ohren, die hören können, übermitteln Informationen ans Gehirn. Das, was wir im Allgemeinen unter Hören verstehen, findet ja erst im Gehirn statt. Dort werden die vom Ohr übermittelten Geräusche verarbeitet, sortiert und in für uns sinnhafte Information umgewandelt.

Babies können genau das bis zu einem gewissen Grad bereits im Mutterleib. Aber sie hören nicht nur, sie können das Gehörte auch in Kategorien einteilen, die Neues von Bekanntem trennen. Eine 2017 veröffentlichte Studie zeigt, dass schon Föten zwischen zwei verschiedenen Sprachen unterscheiden können. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich faszinierender finde: Die Tatsache, dass Babies im Bauch das bereits können. Oder die Tatsache, dass wir das erforschen und testen können.

Föten unterscheiden Englisch und Japanisch

In der Versuchsreihe wurden US-amerikanischen Föten im dritten Schwangerschaftstrimester Textpassagen auf Englisch und Japanisch vorgelesen. Eine Gruppe von Kindern bekam aufeinanderfolgend zwei verschiedene Abschnitte auf Englisch zu hören, die andere Gruppe hörte zuerst eine englische und dann eine japanische Passage. Währenddessen wurde der kindliche Herzschlag überwacht.

Dabei fanden die Wissenschafter heraus, dass sich der Herzschlag der Babies immer nur dann nennenswert veränderte, wenn sich auch die Sprache änderte. Diese Veränderung ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Kinder einen Unterschied wahrgenommen haben.

Was genau unterscheiden die Kinder?

Die Geräusche, die zu den Kinder im Mutterleib vordringen, sind gedämpft durch den Körper der Mutter und das Fruchtwasser. Manche Informationen bleiben dennoch erhalten, zum Beispiel der spezifische Rhythmus einer Sprache. Dieser unterscheidet sich bei Englisch und Japanisch. Die Wissenschaftler nehmen an, dass die Föten daran den Unterschied festmachen und entsprechend reagieren.

Spracherwerb beginnt während der Schwangerschaft

Das Ergebnis der Studie ist ein spannender Hinweis darauf, dass der frühkindliche Spracherwerb bereits vor der Geburt beginnt. Immerhin sind die Kinder bereits sensibel auf wesentliche Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachen. Der Rhythmus einer Muttersprache könnte somit zum Teil bereits vor der Geburt gelernt werden. Er wäre damit auch einer der ersten Bausteine des Spracherwerbs, auf den die Kinder nach der Geburt direkt aufbauen, um die nächsten Schritte zu setzen.

Also Mamis und Papis und Geschwister: Sprecht mit eurem Baby, erzählt ihm Geschichten, lest und singt ihm vor. Es kann euch hören und beginnt schon, eure Sprache(n) zu lernen.

Literatur

Utako Minai, Kathleen M. Gustafson, Robert D. Fiorentino, Allard Jongman, J. J. Uriola Sereno (2017). Fetal rhythm-based language discrimination: a biomagnetometry study. Neuroreport 5/28(10):561-564. doi: 10.1097/WNR.00000000000007948

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